22.05.2017 14:03

Ökumene: Spiritualität verbindet

Die Ökumene, das Miteinander der reformierten und der katholischen Kirche hat in Bad Schönbrunn eine lange Tradition. Die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1963–1965) und die darin verankerte Überzeugung, dass der Geist Christi auch in den anderen Kirchen lebendig ist, hat in der katholischen Kirche den Weg frei gemacht für den Dialog.

 Dieser Dialog findet auf Augenhöhe statt, denn es geht darum, das Wirken des Geistes Christi in den verschiedenen Traditionen wahrzunehmen und deuten zu lernen. Der weltweite Jesuitenorden ermunterte in der Generalkongregation gleich im Anschluss an das Konzil die einzelnen Jesuiteneinrichtungen zu «ökumenischem Denken und Handeln», um in der Gemeinschaft mit allen Christen zu wachsen. Die ökumenische Ausbildung sollte ausdrücklich nicht nur intellektuell geschehen, sondern bis in die Spiritualität vordringen. Dabei hat das Lassalle-Haus seit seinem Bestehen eine wichtige Rolle gespielt.

Pioniere dieser spirituellen Ökumene waren Pater Werner Grätzer SJ und der reformierte Pfarrer Hans Ulrich Jäger, die erste Exerzitien gemeinsam für Reformierte und Katholiken angeboten haben. Es folgten Ausbildungskurse zur Ignatianischen Spiritualität und Geistlichen Begleitung, gemeinsam mit der reformierten Pfarrerin Margrit Schiess.

Diese Zusammenarbeit wurde unter Pater Christian Rutishauser SJ und unter meiner Leitung fortgeführt. Da der Exerzitienweg durch die Meditation auch die Bibel spirituell erschliesst, ist er gerade auch für Christinnen und Christen aus der reformatorischen Tradition wertvoll geworden. Die Geistlichen Übungen des Ignatius werden heute in ökumenischer Offenheit weitergegeben und bilden eine wichtige geistliche Brücke zwischen den Konfessionen. Sie inspirieren, im Alltag auf vielfältige Weise auf das Reich Gottes hin zu leben. Seit 2014 führt die ökumenische Arbeitsgruppe des Lassalle-Hauses den Lehrgang für Exerzitienleitung und geistliche Begleitung in Kooperation mit der Universität Fribourg durch. Das Patronat teilen sich der Jesuitenorden und das Forum Evangelischer Ordensgemeinschaften der Schweiz (FEOS).

Veranstaltungen zur Ökumene sind selbstverständlicher Teil des Bildungsprogramms des Lassalle-Hauses. Im Rahmen des Jubiläums «200 Jahre Wiedererrichtung des Jesuitenordens» im Herbst 2014 fand die ökumenische Tagung unter dem Titel «Christsein heute – auf der Grenze leben» statt. Prominente Referentinnen und Referenten verschiedener christlicher Konfessionen fragten nach den Beiträgen von Spiritualität und religiösen Gemeinschaften, Klöstern und Orden zur ökumenischen Diskussion. Thema waren zudem der Auftrag der Gläubigen und ihrer Kirchen in einer offenen säkularen Gesellschaft und das konfessionsverbindende Leben des Glaubens im Alltag. Im Reformationsjahr 2017 stehen eine Tagung wie auch eine Reise an die Orte Luthers in Begleitung eines Jesuiten und einer Pfarrerin auf dem Programm. Seit März 2016 gehört die reformierte Pfarrerin Noa Zenger zum Team des Lassalle-Hauses. Seit zwei Jahrzehnten mit der Ignatianischen Spiritualität und dem kontemplativen Weg vertraut, ist sie verantwortlich für die «via contemplativa». Die Kontemplation lädt ein, das stille Wirken Gottes in uns wahrzunehmen, und nimmt in der Form des Herzensgebets eine spirituelle Tradition der Ostkirche auf. Zudem liegt das Fastenangebot des Lassalle-Hauses mit seiner spirituellen und ökologischen Ausrichtung in ihren Händen wie auch die Begleitung der Langzeitgäste. Das Lassalle-Haus versteht sich nicht nur als Bildungszentrum, sondern auch als geistiges Zentrum.

So versammeln wir uns morgens und abends zur gemeinsamen Meditation und laden dazu Gäste und Nachbarn ein. Bei unseren Gottesdienstfeiern wechseln katholische Priester und reformierte Pfarrer und Pfarrerinnen den Vorsitz. Es wird gemeinsam gefeiert, jeder in seiner oder ihrer Tradition. Als Zeichen unserer Gastfreundschaft steht die reformierte Pfarrerin Noa Zenger seit Januar 2017 auch regelmässig Sonntagsgottesdiensten vor.

Was uns verbindet? Der gemeinsame Dienst am Evangelium und an den Menschen, die zu uns kommen. Der Dienst an spirituellen Traditionen, die es neu zu beleben und zu interpretieren gilt. Und der Dienst am Lassalle-Haus, das sich nach der Sanierung mit seinem Team und seinem Programm neu ausrichtet.

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