02.10.2020 14:16
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Erfahrungsbericht von Rita Amrein

Die grossen Exerzitien im Lassalle-Haus

Rita Amrein-Stocker hat im Lassalle-Haus die grossen Exerzitien in zwei Etappen mitgemacht. Sie ist verheiratet, Mutter von drei erwachsenen Kindern und arbeitet als Religionspädagogin im Pastoralraum Baldeggersee. Sie wohnt in Römerswil, Kt. Luzern.

Neugierde und Lust auf «mehr»

Vor rund 6 Jahren wollte ich mich einmal ganz auf die Stille einlassen. Deshalb meldete ich mich im Lassalle-Haus zu einem Einführungswochenende zu ignatianischen Exerzitien an. Ich war ehrlich gesagt etwas überrascht, dass das durchgehende Schweigen mir überhaupt keine Mühe machte, vor allem auch nicht bei den gemeinsamen Mahlzeiten. Ich empfand es sogar sehr entspannend, einmal nicht reden und nicht zuhören zu müssen, sondern mich ganz bewusst «nur» mit dem Essen oder «nur» mit dem Gehen, mit einem Text oder mit mir selber zu beschäftigen. Es wirkte sehr beruhigend auf mich, keine Nachrichten von aussen zu empfangen und auch keine senden zu müssen, sondern einfach einmal ganz abzuschalten und bei mir zu sein. Es war geschenkte Zeit und so verbrachte ich in den folgenden Jahren regelmässig fünf bis sieben Tage im Schweigen.  

Vor zwei Jahren ergab sich dann die Gelegenheit, die Grossen Exerzitien im Lassalle-Haus zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war es für mich wichtig, diese 30 Tage in zwei Etappen aufzuteilen und so kam ich zusammen mit dem Leitungsteam auf die für mich zugeschnittene Lösung: 20 Tage im Sommer 2019 und 12 Tage im Sommer 2020.  

«Deine innere Stimme zu hören ist eine Frage der Achtsamkeit,
ihr auch zu folgen eine Frage deines Mutes.»      
Verfasser unbekannt


Stärkendes und Herausforderndes

Ich freute mich jedes Mal auf diese Auszeiten im Lassalle-Haus, empfand es aber gleichzeitig auch herausfordernd, meine Liebsten, Haus und Garten und die vielen Möglichkeiten, die der Sommer bietet, in dieser Zeit ganz loszulassen. Dieses Verzichten auf das Viele im Aussen hat mich aber reich beschenkt im Innen. Es waren wertvolle Zeiten, um ganz bei mir anzukommen, Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen zu klären, das Leben etwas zu ordnen und in eine noch bewusstere christliche Haltung hineinzuwachsen. Es hat mir geholfen, meinen eigenen «Keller» etwas zu entrümpeln und mich mit alten Geschichten zu versöhnen. All das hat dazu beigetragen, meine Glaubenskraft und die ganz persönliche Beziehung zu Gott und Jesus zu vertiefen, was sich stärkend im Alltag auswirkt.  

Berührendes

Berührt wurde ich durch das Angesprochen- und Betroffensein in den Meditationen mit einer biblischen Geschichte oder einem Text, beim Wandern im Garten und der Umgebung von Bad Schönbrunn. Es waren auch oft berührende Momente in den geistlichen Begleitgesprächen, wenn Trost, Dankbarkeit, Freude oder inneres Aufrichten spürbar wurden. Berührt haben mich auch immer wieder die Feiern der Eucharistie, das gemeinsame Singen, Beten und Schweigen.

Rahmen und Strukturen

Die besondere Architektur des Lassalle-Hauses wirkt behütend und bietet einen idealen Raum für den Rückzug und die Stille. Es weht ein «guter Geist» in und um das Haus. Dieser wirkt auch durch die Menschen, die hier ihre Arbeit verrichten und mit viel Liebe für das Wohl der Gäste sorgen.

In den letzten Jahren meiner Exerzitien in Bad Schönbrunn, habe ich verschiedene Geistliche Begleiter/Innen erfahren. Ich fühlte mich immer sehr sorgfältig und mit grosser Achtsamkeit begleitet. Diese unverzichtbaren, täglichen Begleitgespräche, die persönlichen Gebets- und Essenszeiten und die gemeinsamen Liturgien, gaben den Tagen ihre je eigene und ganz wichtige Struktur. Immer wieder überraschte mich die «Fülle» dieser Tage.

Erfahrungen

Die ignatianische Gebetsweise ist in einer persönlichen Art zu meinem festen Morgen- und Abendritual geworden. Sie bereichert meinen Alltag, lässt mich Aufgaben zielgerichteter angehen und macht mich achtsamer, für das, was mir begegnet. Sie trägt mich durch in Freud und Leid. Durch all das fühle ich mich bestärkt, auch in der heutigen, säkular gewordenen, Zeit, für den Glauben einzustehen.

Wenn ich manchmal von den langen Zeiten der Stille erzähle, kommt mir oft Staunen entgegen und von einer lieben Freundin einmal die Aussage: «Du, ich hätte Angst vor mir selber!» Ganz unbegründet ist sie vielleicht nicht diese Angst, aber ich gehe diesen Weg ja nicht alleine: ER – der «ICH-BIN-DA» geht mit mir, IHM komme ich auf diesem Weg näher und lerne im «Verspüren und Verkosten aller Dinge» (Ignatius von Loyola), das Geheimnis «Leben» neu zu entdecken.  

Was es dazu braucht ist nicht viel (so meine Erfahrung). Es braucht ein gewisses Mass an Entschiedenheit, sich auf die Stille und die Begegnung mit mir und mit Gott einzulassen. Darüber hinaus braucht es etwas Vertrauen, dass ER sich jedem Menschen mitteilen und sich selbst uns schenken will; und vielleicht braucht dieser Weg tatsächlich auch etwas Mut, ja! Aber das Geschenk ist ein «mehr» an Freude, Klarheit und Liebe, an Achtsamkeit und Frieden, ein «mehr» an Tiefe und innerer Stärke.  

Rita Amrein-Stocker

 

 

Grosse Exerzitien - 30 Tage
25. Juli bis 24. August 2021
Leitung: Bruno Brantschen SJ, Noa Zenger


Lehrgang «Ignatianische Exerzitien und Geistliche Begleitung»

Okt. 2021 - 2024
Master MAS / Diplom DAS Zertifikat
in Zusammenarbeit mit der Universität Fribourg

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